Mir war nicht langweilig in letzter Zeit. Merkt ihr wahrscheinlich daran, dass der letzte Bericht schon eine ganze Weile her ist.
Die Fahrt mit Eos durch Südfrankreich lässt mir nicht viel Zeit für irgend etwas anderes. Ich fahre früh los und mache meistens erst spät nachmittags irgendwo die Leinen fest. Wo das ist, kann ich manchmal planen, manchmal macht mir auch irgendetwas einen Strich durch die Rechnung. Es kommt vor, dass mal eine Schleuse nicht funktioniert oder ich mit Menschen am Ufer ins Gespräch komme. Dann wieder regnet es häufig, so dass ich schon ein, zwei Stunden früher festmache oder ein Anleger ist schlicht weg so belegt, dass kein Platz mehr für Eos ist. Das kam allerdings nur einmal vor, ansonsten sind die Anleger und kleinen Häfen eher ziemlich unterbelegt.
So ist fast jeder Tag ausgefüllt mit Überraschungen und abends bleibt nur noch wenig Zeit zum Gegend erkunden, Essen kochen, nach Hause telefonieren und der Wartung am Boot.
Aber es geht mir gut im Garonne-Seitenkanal. Er ist wunderschön und wenig befahren. Bis zum Ende des Kanals in Toulouse taucht hinter Eos nicht ein einziges anderes Boot auf. Auch vor uns fährt niemand. Nur ganz selten kommt mal ein Hausboot entgegen. Sehr selten…
In allen 53 Schleusen bis Toulouse bin ich allein. Damit hätte ich im Vorfeld nicht gerechnet. Aber immer wieder komme ich mit Menschen an den Schleusen ins Gespräch und manchmal auch mit Mitarbeitern vom VNF, die gerade etwas an einer Schleuse reparieren. Anrufen muss ich wegen eines Ausfalls an Schleusen beim VNF in der Zeit nur drei mal. Es geht dann immer ziemlich schnell, bis jemand kommt und das Problem recht zügig beseitigt.
Fast alle Schleusen bediene ich selbst und es macht mir Spaß. Die Schleusen bringen Abwechslung und geben mir die Chance, mich ein wenig zu bewegen. Denn meinem Rücken tut das permante Stehen an der Ruderpinne überhaupt nicht gut. Aber anders geht es nicht. Die Fahrrinne ist schmal und man muss ständig aufpassen, nicht gegen einen im Wasser liegenden Baumstamm zu fahren.
Ich komme bis Toulouse an vielen kleinen Orten vorbei. Manchmal würde ich gerne ein, zwei Tage bleiben, um mehr von der Gegend zu sehen. Aber selbst die kurzen Ausflüge neben dem Kanal lohnen sich. Tourismus ist nur wenig vorhanden. Das gefällt mir.
In der Gegend um Moissac erlebe ich einen der schönsten Tage bis dahin. Ich fahre mit Eos eine ganze Zeit lang auf einem der Jakobswege und treffe viele Pilger. Unter anderem eine Gruppe aus Straßburg, drei Freunde aus dem Elsass und eine junge Pilgerin, die mich überreden wollte, doch mit nach Santiago zu kommen. Aber ich bin nicht schwach geworden. Habe, wenn auch schweren Herzens, meinen Kurs beibehalten.
Die Blicke mancher Pilger hättet ihr sehen sollen. So weit weg von Santiago spricht dich sonst eigentlich kaum jemand an, erkennt fast niemand, was du vor dir hast. Ich bin dann jedes mal, wenn ich Pilger gesehen habe, ganz langsam ran ans Ufer, hab gegrüßt und dann nur mit dem Finger in die Richtung gezeigt und gefragt: „Camino de Santiago?“
Wie sich der Gesichtsausdruck plötzlich verändert hat. Unbeschreiblich…
Und ich hatte ständig nen Kloß im Hals. War für eine Weile wieder ein bisschen Pilger. Viele schöne, leider viel zu kurze, Begegnungen waren das.
Wenige Tage später, am 24.04. komme ich schließlich abends in Toulouse an. Ich fahre gleich in den Canal du Midi, denn der erste Hafen ist eher eine Art Abstellplatz für ein paar wenige Boote, sonst ist dort nichts, außer der Autobahn nebenan. Also mache ich nach den ersten drei Schleusen in diesem Kanal im Hafen Saint-Sauveur fest und kann kurz vor Feierabend noch so gerade eben eine Dusche ergattern. Dann ist Pause angesagt. Garonne-Seitenkanal geschafft, Canal-du-Midi voraus.
Ich habe ihn genießen können, den Kanal neben der Garonne. Trotz viel Regen und wenig Sonne. Er hat es mir angetan, mit seinen alten Bäumen am Ufer, der Ruhe und den kleinen Orten und Anlegern.