Argostoli, Amsterdam, Wesel

Am 23. Juni habe ich Nomade in Argostoli abgeschlossen, nochmal alle neun!!! Festmacher kontrolliert und mich auf den Weg zum Flughafen gemacht. Einchecken, einsteigen, abheben und einen letzten Blick aus der Luft aufs Schiff werfen, welches nun knapp 3 Monaten mein Zuhause war.
Einige Stunden später war ich dann in Amsterdam und nach ein paar Zugfahrten bin ich schließlich am Abend in Wesel angekommen. Sabrina, Filou, meine Nichte, meine Eltern und Benno waren da und ich habe mich riesig gefreut, alle wieder zu sehen.

So richtig begeistert war ich von dieser Unterbrechung der Reise trotzdem nicht. Aber es gibt einiges in Deutschland zu erledigen und in den letzten Wochen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass bei dem Reisetempo der letzten Zeit, in Italien der finanzielle Ruin drohen würde. Hafengebühren jenseits der 100€, ja sogar jenseits der 200€ sind dort in der Hochsaison keine Seltenheit. Nicht pro Monat oder Woche, pro Tag!
Für die Hochpreisgebiete des Mittelmeeres gibt es noch, oder besser gesagt wieder, zu viele Baustellen. Der Zustand des Schiffs verbessert sich zwar stetig, aber es kostet eben Zeit. Auch, weil es unterwegs schwierig ist an entsprechende Teile zu kommen. Und wenn, dann dauert es lange. Das zieht wieder einen Rattenschwanz an Verzögerungen nach sich.
Ich komme einfach viel langsamer vorwärts, als ich mir das erhofft hatte und da muss ich ganz klar sagen, dass mein Plan viel zu optimistisch war. Das Wetter war zwar auch nicht gerade optimal, aber wann ist es das schon? Nomade ist einfach noch zu sehr Baustelle und das ist nicht gut.
Und jetzt sieht es eben so aus, dass ein Aufbruch gen Westen schlicht unsinnig wäre. Ohnehin ist mir im Moment ein wenig die Lust auf Sizilien vergangen, nachdem ich von fast allen Crews, die mir aus dieser Richtung  in den letzten Wochen entgegen gekommen sind, viel negatives gehört habe und in Argostoli unfreiwillig Bekanntschaft mit einer Art traditionellem sizilianischen „Way of Life“ gemacht habe, der in Filmen oft romantisch verklärt wird. Die Realität sieht anders aus und ist für Betroffene teuer, oder riskant. Teuer, wenn man zahlt, riskant, wenn man nicht zahlt. Und noch riskanter wenn man nicht zahlt und seinen Mund aufmacht.
Ich zahle also „nur“ nicht und halte zähneknirschend meine Klappe.
Allerdings bin ich enttäuscht, dass sich die Gerüchte, die man immer mal wieder hört, bestätigt haben. Und das 250 Seemeilen weit entfernt von Sizilien!
Aber egal! Kefalonia lasse ich mir nicht von ein paar Einzelnen vermiesen. Hier habe ich viele liebe Menschen kennengelernt.

Mittlerweile bin ich seit einigen Tagen in Wesel, habe letzte Dinge an Camino erledigt und arbeite unter anderem die Einkaufsliste für Nomade ab. Für die nächste Zeit stehen noch diverse Sonderanfertigungen fürs Schiff auf dem Zettel und Törnplanung muss auch noch gemacht werden. Es gibt ja nicht nur Sizilien…

Eine kleine Bilanz können wir nach 3 Monaten auch mal ziehen und eine Einschätzung für die Zukunft abgeben. Habt ihrs gemerkt? Ich hab „wir“ gesagt! Denn das ist ganz wichtig, auch wenn ich in letzter Zeit meistens im Singular geschrieben habe, Sabrina ist natürlich, auch wenn wir weit voneinander entfernt sind, immer mit involviert und arbeitet im Hintergrund an der Reise und für die Reise!

Also, Bilanz zuerst:

Knapp 3 Monate an Bord, davon drei Wochen zu zweit und knapp zwei Wochen zu dritt
4 Törns zu zweit, 6 Törns Einhand
280 Seemeilen im Kielwasser

Im Verhältnis von Strecke zu Zeit an Bord sieht man ganz gut, dass ich kaum vorwärts gekommen bin. Ich habe eben mehr am Boot geschraubt als ich segeln konnte.
Daran wird sich auch in nächster Zeit nicht viel ändern. Wenn ich bald wieder nach Argostoli fliege, werde ich eine Weile mit Reparaturen beschäftigt sein.

Und nun die Einschätzung zu Nomade und zur Zukunft:

Nomade war für uns ein Überraschungsei, aber das war von vornherein klar bei diesem Tausch. Jetzt haben wir mit ihr aber immerhin die ersten Seemeilen zurückgelegt und es hat auch Einhand funktioniert. Davor hatte ich wirklich Bammel und auch jetzt muss ich sagen, so eine große Ketsch Einhand zu bewegen fällt mir noch nicht leicht. Sie ist allerdings auch noch nicht wirklich optimal ausgerüstet, das darf man nicht vergessen.
Im Hafen kann ich Nomade trotz der Größe gut bewegen. Allein durch die hohe Masse bleibt für viele Manöver mehr Zeit. Nur Seitenwind bereitet manchmal Probleme. Da ist der gemäßigte Langkiel mit Bugspriet von allen Typen so ziemlich der mit dem größten Handicap. Während das Heck durch die große Lateralfläche in diesem Bereich wie festgenagelt im Wasser liegt, fehlt diese am Bug und lässt ihn entsprechend driften. Fast 15 Meter Länge über Alles können dann ganz schön viel sein, wenn das Hafenbecken eng ist und gewendet oder rückwärts angelegt werden muss, zumal Nomade über keinen ausgeprägten Radeffekt verfügt, den man nutzen könnte.

Die Seegängigkeit hat uns sehr beeindruckt. Besonders der Einhandtörn bei Windstärke 8 im Golf von Korinth ist mir immer noch lebhaft und vor allem positiv im Gedächtnis. Keine Bauchklatscher, kein Knarzen. Geschmeidig durch die Wellen gedampft ist sie, die Suncoast 42.
Vom bisherigen Handling unter Segeln waren wir ebenfalls sehr angetan, auch wenn längst noch nicht alles optimal ist.

Und das leben an Bord? Sabrina mag es, ich mag es! Trotz einer Raumaufteilung im Salon, die nicht nach unserem Geschmack ist, trotz provisorischem Campingkocher. Wir haben Platz ohne Ende. Hafenkoller? Fehlanzeige!
Das ebene Flushdeck ist ebenfalls etwas, das wir an Nomade schätzen. Es kostet zwar Höhe unter Deck, aber bei 42 Fuß Rumpflänge spielt das praktisch keine Rolle. Das Arbeiten an Deck auf See fällt dadurch allerdings wesentlich leichter, vor allem im Bereich des Großmasts.
Mit dem Center Cockpit haben wir genau das gefunden wonach wir gesucht haben. Wir fühlen uns in der Mitte des Schiffs pudelwohl. Gefällt uns viel besser als am Heck zu sitzen. Seekrankheit? Keine Spur!

Vor einigen Monaten waren wir uns noch unsicher, ob die Suncoast 42 die richtige Größe hat, oder nicht eine Nummer zu groß für uns ist. Man muss auch klar sagen, das man auf kleineren Booten ebenfalls gut leben und damit segeln kann. Jetzt wo ich mich so langsam an die Abmessungen gewöhnt habe, möchte ich den Raum und die Reserven in alle Richtungen jedoch nicht mehr missen.
Nomade hat das Potenzial dauerhaft auf ihr leben und mit ihr segeln zu können. Bis es soweit ist werden natürlich noch Jahre vergehen, das ist klar.

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