Vollgaswochen

Seit dem Frühling hat das Deck von allen Baustellen an Bord die höchste Priorität. Es ist alles bestimmend. Manchmal nervt das, würden wir doch viel lieber zur Abwechslung mal woanders arbeiten. Vor allem, wenn Sabrina oder mir eine Detaillösung für die vielen anderen Ecken einfällt. Dann will man am liebsten den Fräser weglegen und sofort mit der Planung starten.
Aber das geht nun mal nicht, wenn die Restauration zügig und in sinnvollen Schritten abgewickelt werden soll. Also heißt es: Fräsen, fräsen, fräsen, ….
Anschließend Farbe aufbauen. Angefangen mit Zinkphosphat auf Epoxidharzbasis, über die Grundierung, bis zum Hochglanzlack in mehreren Schichten. Insgesamt 5 bis 9 Schichten sind es, je nachdem.
Viele Hundert Male haben wir diese Schritte nun hinter uns. Manchmal sind die Stellen, die überarbeitet werden müssen, winzig klein, mal sind sie fast handtellergroß und an einigen Problemzonen hilft nur noch raustrennen und ein neues Stück Stahl einschweißen.
Mittlerweile sind etwa 80% des Decks fertig restauriert und wir sind optimistisch, noch im August damit komplett fertig zu sein.

Die Bereiche wo der Stahl das zeitliche gesegnet hat, sind zum Glück überschaubar und beschränken sich auf Stellen bei denen irgenwann in der Vergangenheit ein Durchbruch gesetzt und unsauber gearbeitet wurde. Zum Beispiel unter den beiden Lüftern, neben dem Mastschuh vom Besan.
Allein dieses Projekt hat einige Tage Zeit für sich beansprucht. Auch, weil wir für die Arbeiten von unten viel entfernen und diverse Leitungen aufwändig hin und her verlegen mussten, um mit Winkelschleifer und Schweißgerät arbeiten zu können.
Im Zuge der Überarbeitung habe ich auch gleich die ziemlich unansehnliche und schlecht konzipierte „Travellerschiene“ für die Großschot entfernt und durch einen soliden Beschlag aus Edelstahl ersetzt.
Sollte in Zukunft doch der Wunsch aufkommen, den Holepunkt der Großschot zu verändern, um das Segel noch besser trimmen zu können, so werden wir das wahrscheinlich mit einer zweiten Talje machen. Das Prinzip gefällt uns für Morgenstern von allen möglichen Varianten zur Zeit am besten.

Kopfschütteln über Unsinnigkeiten im Konzept kommt bei unserer Suncoast zwar ziemlich selten vor, aber an einer Stelle fällt das nachvollziehen für diese Entscheidung während des Baus wirklich schwer. Und zwar der Mastschuh des Besan.
Ansich ist der super verarbeitet, bis auf ein „kleines“ Detail. Eine Wartungsklappe für einen Hohlraum, in dem es nichts zu warten gibt!
Hätte man auch weglassen können, dann wäre auch nichts von innen gerostet. Oder man hätte sie wasserdicht ausgeführt, dann wäre auch nichts gerostet. Oder man hätte sie belüftet ausgeführt, oder…
Aber man hat leider einfach einen Deckel ohne Dichtung draufgedübelt und so konnte sich über die Jahrzehnte ein kleiner, etwa 7cm hoher Sumpf mit Mikroklima im Inneren des Hohlraums bilden.

Fühlt sich irgendwie weich an…

Was haben wir denn da?

Dass der Stahl trotz Sumpf und Sch… nur oberflächlich Flugrost ausgebildet hat, wundert mich noch immer. Eigentlich hätte auch COR-TEN Stahl an dieser Stelle aufgeben müssen. Hat er aber nicht!? Vielleicht ist es ja ähnlich wie bei Moorleichen. Die verwesen ja auch nicht.
Jedenfalls ist der kleine Raum nun wieder sauber, entrostet, lackiert, und der Deckel hat einen Rohrbogen zwecks neuer Kabelverlegung bekommen. Neoprendichtung und O-Ringe für die Schrauben haben wir ihm auch spendiert. So kann kein Wasser mehr hinein laufen, aber belüftet ist der Kasten trotzdem.

Der neue Deckel.

Lassen wir den Rott nun gedanklich hinter uns und schauen auf die überarbeitete Mastlegevorrichtung. Ein richtiges Schmuckstück ist das geworden, auch dank unseres Bootsnachbarn Eddie, der die entscheidende Idee für Detaillösungen hatte.
Die Bauarbeiten an den Stahlteilen haben zwar am Ende fast 2 Wochen gedauert, aber mit dem Ergebnis sind wir mehr als zufrieden. Sollte uns überleben, das Teil!

Ansonsten sind unzählige Kleinteile fertig geworden und haben irgendwie ihren Weg ins und aufs Deck gefunden. Es waren so viele, dass ich heute kaum noch alle aufzählen kann. Viel Wartungsstau, der bereits seit Eignergenerationen vor uns dagelegen hat und den man nicht immer auf den ersten Blick erkennen konnte. Fast 2 Flaschen Argon habe ich während all der Schweißarbeiten in den letzten Wochen verballert. Zum Vergleich: In den letzten 10 Jahren habe ich gerade mal eine halbe dieser 10kg Flaschen verbraucht!

Stellvertretend für die 80% restauriertes Deck steht dieser Poller!

Nächstes Thema:

Die Decksdurchführung für den neuen Ofen

Dieses Teil habe ich angefertigt, weil es (soweit mir bekannt) nichts vergleichbar solides, dichtes und kühles auf dem Markt gibt. Mit „kühl“ ist gemeint, dass so eine Decksdurchführung möglichst wenig Wärme vom Abgasrohr auf das Deck übertragen sollte. Was mit solide gemeint ist, dürfte klar sein. Mit „dicht“ verfolge ich den ganz persönlichen Anspruch an eine Decksdurchführung auf einem Segelschiff, von der ich im schlimmsten Fall nicht denken möchte, während die Yacht kentert: „Scheiße, der Schornstein!“
Meine Recherche zu solchen Decksdurchführungen hat am Ende folgendes ergeben:
+ Kühl gibt es.
+ Solide gibt es.
– 100%ig dicht gibt es nicht.
– Kühl, solide und 100%ig dicht gibt es erst recht nicht.

Also selbst entwickeln und selber bauen…
2mm Edelstahl, isoliertes Abgasrohr (Steinwolle, Glasfaser, Kevlar), perfekte Passungen, perfekt passender Deckel mit Gewindestiften, welche in eine umlaufende Nut greifen und eine Neoprendichtung vorspannen.

Tada…

Entstanden ist es so.

Aufgeschweißt habe ich die Durchführung mit dem WIG Schweißgerät und SW-Zusatz.

Wenn das innere Rohr kurz vorm glühen ist, kann man das äußere Rohr im Bereich der Decksverbindung problemlos anfassen. Es wird nur lauwarm.

Nächstes Thema:

Bugspriet

Brauchte neues Holz, brauchte neuen Stahl, brauchte ein besseres Konzept, brauchte neue Farbe…
Noch nicht ganz fertig, aber es entwickelt sich. Ich lasse mal Bilder sprechen und quatsche nicht so viel.

Letzter Themenwechsel für diesen Beitrag:

Segeln

War ich nämlich auch. Kurz, schnell und hart bin ich am Sonntagabend den Niedergang hinunter gesegelt. Der Zeitpunkt passte, kann man nicht anders sagen. Ich hatte gerade den letzten Pinselstrich gezogen und war auf dem Rückweg ins Bootsinnere. In der einen Hand den leeren Farbbecher, in der anderen den Pinsel. Die oberste Stufe, ich hab sie nur knapp mit dem Fuß verfehlt. Alle anderen darunter habe ich dann wieder voll erwischt, allerdings mit den Rückenwirbeln, Rippen und Schulterblättern. Die letzte ganz unten dann mit maximaler Geschwindigkeit auch mit dem Hinterkopf.
Unmittelbare Reaktion meinerseits, nachdem die Lunge kurzzeitig restentleert war und über die wir uns später doch ein wenig amüsiert haben: „Ina … ooon …! Rina … toon …!“
Sabrina: „Beruhig dich erstmal, atme tief ein!“
Nico: „Da … ton … da!“
Sabrina: „Atme erstmal! Tief atmen!“
Nico: „Aceton … da!“
Sabrina: „Aceton???“
Nico: „Ja … Aceton … da!“

Aufklärung:
Während des Segelfluges ins Bootsinnere, ist es mir aus unerfindlichen Gründen gelungen, den Farbbecher bis zum Schluss festzuhalten. Der Pinsel ist mir allerdings irgendwie entwischt und in hohem Bogen davon geflogen, genau mit den Borsten gegen eine der hübschen Mahagoniverkleidungen. Das habe ich im Gegensatz zu Sabrina mitbekommen und der erste Gedanke nach dem Aufschlag war deshalb: „2K Farbe!!! Das muss schnell entfernt werden, bevor es aushärtet!“

Da ich hier noch schreiben kann, dürfte klar sein, es ist praktisch nichts passiert, bei diesem Flug. Nur Prellungen und blaugrüne Flecken.

Glück gehabt!

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