Tagesetappe: 10 Kilometer / Gesamtstrecke: 31 Kilometer
Wir sind bereits vor dem Wecker wach. Die Kälte lässt uns kaum schlafen und als wir am frühen morgen im Dunkeln unsere Sachen packen, merken wir erst so richtig, wie unsere Füße und diverse Gelenke schmerzen. Wir hätten nicht gedacht, dass sich das Gepäck so negativ bemerkbar macht. Dabei haben unsere Rucksäcke fast Optimalgewicht erreicht. 7,5kg bei mir und 6,5kg bei Sabrina. Dazu kommt nur noch eine Bauchtasche, Kleinigkeiten in den Hosentaschen und die Tagesration an Nahrung und Wasser. Aber man spürt es ganz deutlich. Der Körper ist noch nicht auf so ein Zusatzgewicht eingestellt und wir trösten uns damit, dass sich das in ein paar Tagen hoffentlich von selbst regelt.
Als alles eingepackt und aufgeschultert ist, verlassen wir die letzten Hüter von Le Gurp, die Eichhörnchen, und machen uns auf den Weg nach Montalivet. Nach 500 Metern blockiert meine rechte Hüfte, nach 800 Metern macht Sabrinas Leiste kaum noch mit. Einer dieser Momente, von denen wir bereits bei anderen Pilgern gelesen hatten und wir fragen uns, wie wir die 10 Kilometer bis Montalivet schaffen sollen.
Trotzdem kommen wir langsam vorwärts und irgendwann erreichen wir sogar ein recht ansehnliches Tempo. Die Gelenke und Blasen an den Füßen geben klein bei und wir ziehen davon. Nach einer langen und eintönigen Geradeausstrecke, geht es ein kleines Stück durch den Wald. Unmittelbar vor uns, kommt ganz vorsichtig eine recht große Hirschkuh aus dem Wald. Sie guckt sich um und geht dann ganz langsam auf die andere Seite der Straße. Mir gelingt es, die ganze Szene mit der Videokamera festzuhalten. Als wir an die Stelle kommen, an der sie auf der anderen Seite im Wald verschwunden ist, sehen wir dort ein junges Reh liegen. Es wurde ganz offensichtlich von einem Auto überfahren. Vielleicht war es ihr Kitz? Es war jedenfalls ein trauriger Anblick.
In Montalivet angekommen, wollen wir zuerst etwas Essen und vor allem unseren Wasserhaushalt wieder in Ordnung bringen, denn wir haben zu wenig getrunken. Die meisten Imbisse und Restaurants haben allerdings geschlossen. In einem Restaurant am Strand bekommen wir dann doch noch eine Pizza und fragen den Wirt nach einem Hotel. Er macht uns wenig Hoffnung, die meisten haben bereits geschlossen. Nach dem Essen versuchen wir trotzdem unser Glück und werden schließlich im Hotel Le Marin fündig. Wie sich später zeigen sollte, ein sehr feines kleines Hotel. Wir buchen eine Nacht mit „Petit Dejeuner“, einem Frühstück.
Am Nachmittag versorgen wir uns für den nächsten Tag. Noch geht das, aber so langsam aber sicher bereitet sich die Region auf den Herbst vor. Wir spüren, dass man hinter uns förmlich die Bürgersteige hochklappt und wenn wir nicht schnell genug sind, bekommen wir hier bald Probleme mit geschlossenen Hotels, Campingplätzen und Lebensmittelgeschäften. Herbergen gibt es auf diesem Teil des Jakobsweges noch nicht, die meisten Pilger starten ja weiter im Süden.
Also heißt unsere neue Aufgabe für die nächste Etappe: Ab nach Süden, aber flott!
Nur wie?
Sabrina durchforstet das Internet nach Busverbindungen, aber da sieht es düster aus. Direkt nach Süden will anscheinend kaum jemand. Alle Verbindungen gehen über Bordeaux. Irgendwie passt uns das aber nicht. Bis zum Bassin d’Arcachon würden wir gerne fahren und dort weiter laufen.
Nach langem hin und her, haben wir schließlich eine Idee. Ob sie sich umsetzen lässt, wird sich morgen rausstellen.
Wir fallen jedenfalls recht spät in die Koje, ähm, ins Bett.