Ich muss mich gerade aufraffen für diesen Beitrag. Was unterwegs immer wie von selbst funktioniert hat, das Schreiben, geht hier am Schreibtisch erst mal etwas sauer.
Wir haben die Rückreise gut überstanden und ich sitze jetzt hier in Wesel, an meinem kleinen Schreibtisch, wie letztes Jahr nach der langen Reise. Sabrina sortiert gerade Papierkram, füllt Dokumente aus. Wir sind ordentlich angemeldet, haben einen Adressaufkleber im Ausweis und bald wieder eine Krankenversicherung. Sogar die Mountainbikes haben statt grober Offroadreifen nun einen Satz zahme Tourenreifen für den Asphalt bekommen. Der Alltag hat uns wieder, das umschalten von Freiheit auf Flatrate fällt uns allerdings auch dieses Jahr wieder schwer.
Wenn ich nach links schaue, liegt diesmal kein Logbuch neben mir, sondern ein Haufen Speicherkarten. Neben den Erinnerungen im Kopf unser wertvollster Schatz, in 46 Tagen aufgefüllt mit Abenteuer, Freiheit, Traumlandschaften, Höhen und Tiefen. Wir hatten drei Kameras dabei und haben so oft es möglich war gefilmt und fotografiert. Insgesamt sind 6.179 Fotos und Videos während dieser Reise entstanden. Mittlerweile auf einer Festplatte gesammelt und gebackupt. Allein die Sichtung wird viel Zeit in Anspruch nehmen und wir sind selbst gespannt, was alles zum Vorschein kommen wird.
Dazu gesellt sich noch ein lückenloser, per GPS geloggter Track, aus vielen GPX Dateien, etwa 1.346 Kilometer lang. Auch der muss erst noch gesichtet und aufbereitet werden.
Ansonsten haben wir bereits für uns eine Art Bilanz gezogen. Ein wenig Statistik gehört natürlich auch dazu und stillt vielleicht den ein oder anderen Wissenshunger.
Von den 1.346 Kilometern sind wir ganz am Anfang in Frankreich 79 Kilometer getrampt und 15 Kilometer mit einem Zug gefahren. An der spanischen Nordküste gab es einige kurze Bootsfahrten von insgesamt etwa 2 Kilometern. Ansonsten haben wir die Strecke bis ans Cabo Finisterre aus eigener Kraft zurückgelegt, konnten den Bussen und Gepäcktransportern widerstehen.
Auf dem ersten Jakobsweg, dem Voie Littorale, waren wir zunächst zu Fuß unterwegs. Ab Arcachon dann mit den Mountainbikes. Auf dem Camino del Norte, dem Küstenweg im Norden Spaniens, mussten wir aufgrund des unwegsamen Geländes über weite Strecken schieben und waren deshalb im Schnitt kaum schneller als manche Pilger, die zu Fuß unterwegs waren. Der Camino Primitivo hat uns geschwächt. Dort waren wir langsamer unterwegs als viele Fußpilger und haben in kurzer Zeit enorme Energiemengen und Reserven verbraucht. Es war oft kein schieben mehr, sondern eher ein klettern mit vollbepackten Fahrrädern im Schlepptau. Auf dem Camino Frances und dem Camino Fisterra konnten wir dann wieder sehr gut radeln.
Insgesamt mussten wir bis zum Kap etwa 26.000 Höhenmeter bewältigen. Davon etwa 1.500m auf dem Voie Littorale, 14.000m auf dem Camino del Norte, 8.500m auf dem Camino Primitivo, 500m auf dem Camino Frances und 1.500m auf dem Camino Fisterra.
Diese 26.000 Höhenmeter beziehen sich auf den Anstieg. Nochmal so viele galt es bergab zu überwinden, was bei extremen Steigungen und Geröll nicht unbedingt leichter ist als bergauf.
Während dieser Reise haben wir folgendes verbraucht:
2 Gaskartuschen (wir haben fast täglich damit gekocht, hauptsächlich Nudeln)
4 Reifen (sie sind noch nicht ganz am Ende, taugen aber nicht mehr fürs Gelände)
1 Außenspiegel
2 Dosen Imprägnierspray
1 Dose Kettenöl
8 Bremsbeläge
7,6kg Körpergewicht
Dazu kamen folgende Zwischenfälle:
7 platte Reifen
1 ausgeleierte Hinterradnabe
4 undichte Packtaschen
2 defekte Armbanduhren
Abschürfungen, Sehnenverletzungen, Springfinger, Blasen, blaue Flecken
Das Schönste waren auf dieser Reise, neben den unglaublich tollen Wegen und Landschaften, die Begegnungen. Diese Begegnungen waren unbeschreiblich herzlich. Sowohl zwischen Pilgern untereinander, als auch mit den Menschen, die am Camino leben.
Wir haben ihn also geschafft, den Jakobsweg. Mit wenigen Tagen Vorbereitungszeit, ohne Reiseführer, über die schwierigsten Routen. Hätten wir mehr gewusst und länger geplant, wir wären vermutlich eine andere Strecke geradelt. Hätten wir in Campiello nicht bereits 1.012 Kilometer Training hinter uns gehabt, wir hätten den Pass nicht geschafft. Aber wir sind über den Hospitales Pass, von dem man sagt, mit Mountainbikes geht er nicht. Realisieren erst jetzt so langsam, was hinter uns liegt und sind zufrieden.
Am Cabo Finisterre waren wir nach all der Anstrengung nicht fertig, sondern so stark, dass wir am liebsten einfach weiter gefahren wären.
Aber jetzt sind wir hier, lassen das Abenteuer Revue passieren, machen eine Zwischenlandung, arbeiten an einer neuen Basis.
Dazu gehört natürlich auch schon jetzt die Planung der nächsten Etappe. Denn die Reise um die Welt geht weiter! Das ist unser Antrieb! Die Mountainbikes, die den Flug im übrigen gut überstanden haben, sind nicht als ein Andenken mit nach Deutschland geflogen und die zahmen Reifen sind auch nur eine Zwischenlösung für den Niederrhein.
Sabrina blättert übrigens, seit wir wieder zurück sind, nicht etwa in Kosmetikkatalogen herum. Nein, ich hab sie öfters dabei ertappt, wie sie V-Bremsanlagen vergleicht und in Onlineshops nach besseren Mountainbike Lenkern sucht.