Als ich letzte Woche Dienstag hier in Pauillac angekommen bin, da hätte ich die Möglichkeit gehabt gleich am nächsten Tag weiter nach Begles zu fahren. Es wäre allerdings sehr knapp geworden. Zum einen, weil mehr Schlamm im Hafen liegt als erwartet und damit das Zeitfenster zum Auslaufen so kurz vor Springtide verkleinert wird, zum anderen, weil ich erst kurz vorm Dunkelwerden in Begles angekommen wäre, vorausgesetzt, alles wäre nach Plan verlaufen.
Gebracht hätte es mir jedoch wenig, denn spätestens in Begles wäre für eine Woche Schluss gewesen, da die Gezeiten nicht zu den Betriebszeiten der ersten Schleuse gepasst hätten. Einen Anleger gibt es vor dieser Schleuse nicht. Man muss sich dort eine halbe Stunde vor der geplanten Ankunft melden, dann wird die Anlage für einen vorbereitet und man fährt direkt aus dem Fahrwasser in die Schleusenkammer.
Da muss also auch wieder alles passen. Hätte es aber eben nicht, denn die Garonne, wie auch die Gironde, ist bis weit ins Land durch Gezeiten beeinflusst. Da geht es nur mit dem Strom und nicht dagegen. Theoretisch wäre eine Nachfahrt auf der Garonne um Springtide herum noch möglich gewesen, oder andere „Experimente“. Theoretisch! Denn Nachtfahrten auf dem Fluß sind nicht ganz ohne. Das kann man auf Flüssen in seinem Heimatrevier machen, wenn man es kennt wie seine Westentasche. Wobei einem hier auch noch eine Menge Treibholz, in Form von ganzen Baumstämmen, entgegen kommt. Die sieht man Nachts schlecht.
Der Tidenhub beträgt in Pauillac bei Springtide über 6 Meter. In Bordeaux ebenfalls und auch in Castets-en-Dorthe, an der Schleuse zum Kanal, etwa 150 Kilometer hinter der Mündung, hat der Atlantik noch nicht ganz an Einfluss verloren.
Es werden enorme Wasser- und Schlickmengen bewegt und in den Häfen kommt man mit dem Ausbaggern kaum hinterher.
Was hier, am größten Mündungstrichter Europas, an Wasser ins Meer fließt ist nicht wenig. Allerdings wird die Menge des abfließenden Süßwassers, vom einströmenden Meerwasser bei Flut, um das bis zu 30-fache übertroffen. Das ganze Seegebiet hat daher wenig Eigenschaften eines Flusses. Zumindest hier in Pauillac ist das in Bezug auf die Seefahrt noch Meer, auch wenn das Wasser eine andere Farbe hat, als direkt am Atlantik.
Also bin ich vorerst in Pauillac geblieben, habe Barbara und Michael kennengelernt und schöne Stunden bei den beiden an Bord ihrer S/Y IZAR verbracht. Mal war ich zum Tee an Bord, mal zum Abendessen eingeladen.
Die IZAR ist eine Bruce Roberts 53 und die beiden haben schon viel mit ihr gesehen. Sie sind von der Türkei aus durchs Mittelmeer gesegelt, dann über Gibraltar um die iberische Halbinsel herum.
Biskayaüberquerung, Irland, Schottland, Norwegen und wieder zurück in die große Bucht hier am Atlantik.
Es sind interessante Geschichten, die erzählt werden. Geschichten ohne Seemannsgarn und Geschichten, die inspirieren und Mut machen.
Irgendwann muss ich mich losreißen, es wird spät. Und wenn ich als Nachteule spät sage, dann ist es wirklich spät.
Ansonsten ist hier an meinem Ponton wenig los. Ich liege am anderen Ende des Hafens. Nachdem Eos in der ersten Nacht ziemlich früh trocken gefallen ist, habe ich sie in diese Ecke verholt. Hier wurde gerade erst ausgebaggert und Eos hat selbst bei Springniedrigwasser noch genügend davon unter den Kielen.
Ein wenig Aufmerksamkeit hat sie auch von mir bekommen. Ich habe den Ölwechsel und die Inspektion ein paar Motorstunden vorgezogen und eine neue Trinkwasserpumpe eingebaut. Bei der Alten hatte sich der Druckschalter verabschiedet. Vor dem Einbau habe ich der neuen Pumpe allerdings ein Relais spendiert, ein Tipp von einem Bootsnachbarn aus dem Mahnensee. Im Originalzustand muss der Druckschalter die gesamte Last der Pumpe schalten und geht dabei relativ schnell hopps. In der umgebauten Version schaltet der Druckschalter nur noch mit minimalem Strom ein Relais, welches dann die Pumpe ein- und ausschaltet. Das sollte nun ein wenig länger halten.
Mit Englisch hatte ich übrigens auch hier wieder überhaupt keine Probleme. Fast jeder, dem ich begegnet bin kann Englisch. Zweimal wurde ich sogar mit meiner Muttersprache überrascht. Mein Französisch ist leider nach wie vor eingerostet. Mehr als ein paar Brocken sind da nicht drin. Aber immerhin habe ich es hin bekommen in Begles anzurufen und mich auf Französisch nach dem Hafen und den Liegeplätzen zu erkundigen. Es war ein langes, holpriges Telefonat aber ich weiß nun wo ich dort festmachen kann.