Kommt man da überhaupt noch hoch, bei solchen Bedingungen? Gemeint ist die Rhône, mit ihrem stetig stärker werdenden Gegenstrom. Eigentlich sollte es mit jedem Kilometer flussaufwärts besser werden, sprich die Fließgeschwindigkeit sollte nachlassen. Würde auch so sein, aber eben nur, bei gleichbleibendem Pegel. Der Pegel ist aber leider nicht konstant, sondern steigt durch die enormen Regenmengen immer weiter an. Und so kommt es, dass es nicht besser, sondern immer schwieriger wird, bergauf zu fahren.
Meine Gedanken kreisen deshalb ständig um die Frage: „Wie komme ich mit Eos da hoch?“
Vor allem, wie komme ich da hoch, ohne zu viel Risiko einzugehen.
Von den Crews, die ich in den Häfen und an Kais treffe, kommen die meisten von Norden und fahren bergab. Ich frage deshalb so oft es geht nach den Bedingungen für meinen nächsten Abschnitt. Was ich dann zu hören bekomme ist selten positiv. Von bis zu 6 Knoten Fließgeschwindigkeit an Engstellen wird da berichtet. Man erzählt mir von viel Treibholz und einem verbogenen Propeller.
Hört sich nicht gerade berauschend an.
Trotzdem werfe ich am 30. Mai den Bukh wieder an und löse nach wirklich langer Warmlaufphase die Leinen. Ich warte deshalb so lange, weil ich den Motor nur wenige Meter hinter dem Steg bereits mit voller Drehzahl belasten muss, um nicht von der Strömung auf die Flachstelle geschoben zu werden. Nach dieser etwas heiklen Ecke geht es endlich wieder vorwärts. Allerdings nur mit gerade mal 1,2kn über Grund. Die paar Meter bis zur nächsten Schleuse ziehen sich wie Kaugummi. Danach geht es, wie fast immer, zunächst ein wenig zügiger weiter. Das liegt daran, dass unmittelbar oberhalb der Schleusen das Wasser am höchsten aufgestaut ist und in der Regel die größte Wassertiefe herrscht. Teilweise zeigt das Echolot bis zu 30 Meter unter dem Kiel an. Bei so einem riesigen Querschnitt ist die Fließgeschwindigkeit entsprechend niedrig. Aber das ändert sich recht schnell und mit jedem Kilometer auf dem Weg zur nächsten Schleuse wird der Gegenstrom stärker.
Dass Eos bei 6kn, mit denen uns das Wasser manchmal entgegen kommt, nicht rückwärts fährt, liegt nur daran, dass ich sie sehr dicht am Ufer halte. Dort fließt das Wasser langsamer als in der Mitte. Ebenso ist es in Kurven auf der Innenseite deutlich langsamer. Und so hangel ich mich entlang. Wechsel häufig die Seiten, suche die optimale Linie und lasse meine Augen in einem Kreis über Wasseroberfläche, Echolot und Geschwindigkeitsanzeige wandern. So wie ich es im Rhein gelernt habe. Das hilft hier sehr. Oft bin ich mit Eos sogar schneller als deutlich größere Boote oder kann wenigstens mithalten.
Manchmal werfe ich auch zusätzlich den kleinen Außenborder an, den ich mittlerweile an einem Hilfsspiegel am Heck montiert habe. Das bringt etwa 0,3kn. So manches Mal das Zünglein an der Waage.
Und so geht es im Schneckentempo bergauf. Etappe für Etappe schleiche ich auf der 2m Tiefenlinie am Rand entlang. Ich stehe fast die gesamte Zeit an der Ruderpinne, um ja nicht irgendeine Untiefe zu übersehen und auf Grund zu laufen. Aber es geht, Eos und ich kommen da hoch!
Zwischenzeitlich „feiere“ ich abends, an einem kleinen Ponton im Strom meinen Geburtstag mit einem Kuchen aus der Dose und komme am 2. Juni sicher in Condrieu an. Ein Hafen, der Schutz vor dem weiter steigendem Wasser bietet. Weiterfahren ist ab hier unmöglich. Es kommen Massen an Wasser, Baumstämmen und Müll die Rhône runter.
In Condrieu ist deshalb seit einer guten Woche Stillstand. Es fahren keine Sportboote mehr und auch die Berufsschifffahrt ist deutlich reduziert.