Es hatte sich bereits eine ganze Weile im Vorfeld abgezeichnet, dass es in den 2 Wochen Urlaub im Juli sehr knapp werden würde, mit Morgenstern über den Rhein zu fahren und unter den Brücken noch genug Platz zu haben.
Dieser Sommer ist das absolute Kontrastprogramm zu den trockenen Jahren davor. Ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen fetzt über den Nordatlantik und schaufelt nasse Luft über den Kontinent. Die Flüsse sind seit April fast überall durchgehend gut gefüllt und im Mahnensee ist seitdem der Sandstrand unter Wasser. Auch, weil sich die Vegetationsgrenze in der langen Trockenzeit weiter nach unten verschoben hat.
Am 8. Juli habe ich die radikalste Aufräumaktion der gesamten Restaurationsphase gestartet: Alles Werkzeug und Baumaterial ist von Bord geflogen! Ein Auto, bis unters Dach gefüllt mit Gerödel, habe ich in die Garage verfrachtet.
Wir wollten Urlaub machen. Den ersten echten Urlaub, seit wir Morgenstern haben! Keine Projekte! Keine Restauration!
Einfach nur Urlaub an Bord. Und eigentlich wollten wir mit Morgenstern mal kurz ans Meer fahren. Alles war bereit dafür. Darauf hatten wir eine ganze Weile hingearbeitet. Alle Segel waren fertig, der Plotter geupdatet, neue Seekarten an Bord und die Tanks gut gefüllt.
Am 10. Juli sind wir an Bord gegangen und haben uns eingerichtet. An diesem Tag hatte der Pegel in Emmerich mit 328cm seinen niedrigsten Pegel seit langem erreicht. Bei diesem Wert lag die Durchfahrtshöhe unter der Brücke in Emmerich bei exakt 1452cm. Morgenstern hat eine Höhe von genau 1405cm. Aus der Differenz ergibt sich ein Luftspalt von 47cm zwischen dem Ankerlicht und dem harten Stahlbeton der Brücke.
In der Nacht auf Sonntag begann der Pegel dann mit seinem Anstieg und es war klar, dass sich daran so schnell nichts ändern würde.
Eigentlich wollten wir Sonntag morgens starten und wenn wir den Hebel auf den Tisch gelegt hätten, wären wir mit ein paar Zentimetern Luft unter der ersten Brücke durchgekommen und hätten der Hochwasserwelle davonfahren können.
Das ganze hätte viel Risiko bedeutet, denn ein halber Meter ist unter den Rheinbrücken nicht viel. Oft steht unter den Brücken durch den Düseneffekt eine Welle. Die Schubverbände, die am laufenden Band den Rhein hinauf stampfen sorgen ebenfalls für Bewegung im Wasser. Da geht auch Morgenstern hin und wieder mal ganz sachte einen halben Meter nach oben.
Einhand, auf einer Überführungsfahrt, hätte ich es vielleicht gemacht, aber für einen 2 wöchigen Urlaub das Rigg riskieren, das wäre schlicht und ergreifend bescheuert gewesen.
Klar, man hätte die Masten legen können. Mit allem drum und dran ist man da 2 Tage beschäftigt, bis alles runter, abgestützt, verstaut und sicher verzurrt ist.
An der Küste dann wieder stellen, verkabeln, einrichten…
Denn ohne Masten segelt es sich schlecht. Für den Rückweg dann wieder legen und im Mahnensee dann wieder stellen.
Auch hätten wir dann 4 Tage für die Rückfahrt gegen starkes Hochwasser einplanen müssen.
Sinnlos, bei 14 Tagen Urlaub.
Und so ist am Abend des ersten Urlaubstages die endgültige Entscheidung gefallen:
Wir machen Urlaub am Niederrhein!
Wir haben gleich zu Anfang der ersten Woche die Lippe mit unserem Kanu erkundet. Das ging noch so gerade eben, bevor die Wassermassen so eine Aktion unnötig riskant gemacht hätten.
Wo wir paddeln durften, musste erst aufwändig recherchiert werden. Denn die Lippe schlängelt sich mitten durch ein enges Naturschutzgebiet, umgeben von Industrie, Umspannanlagen und Ackerbauflächen. Ein winziges Reservat, in welchem es für manche Tiere die letzten Rückzugsmöglichkeiten gibt.
Verständlich, dass hier mit Allerlei Regelwerk versucht wird, Chaos zu verhindern. Und so darf man auf einigen Abschnitten überhaupt nicht paddeln, auf manchen Abschnitten benötigt man eine Art Führerschein, der mit einer DKV-Ökoschulung erworben werden kann. Die Kanutour muss noch dazu behördlich angemeldet werden.
Es gibt aber auch noch Abschnitte, auf denen man unter Einhaltung strenger Regeln noch ganz ohne amtliche Erlaubnis paddeln darf.
Einen solchen Abschnitt haben wir gewählt und sind die Lippe von Krudenburg nach Wesel stromabwärts gefahren.
Filou hat diesen Tag genossen, wir ebenfalls. Ein paar Eindrücke der Tour seht ihr im nächsten Videoupdate.
Ansonsten haben wir uns die Tage an Bord der Morgenstern mit viel Gelassenheit vertrieben, sind hin und wieder über die vom Hochwasser gefluteten Felder gepaddelt, haben ein wenig mit unseren Instrumenten gespielt, waren zu Besuch bei unseren Bootsnachbarn und haben die Abende gemütlich vor Anker ausklingen lassen.
Unterm Strich betrachtet war dieser Urlaub einer der besten seit langem. Völlig stressfrei konnten die „Akkus“ aufgeladen und die nächsten Projekte geplant werden.