Es kribbelt und zwickt im Bauch. Ja, so sieht es momentan bei uns beiden aus. Die Gefühlsachterbahn im Kopf nimmt auch langsam Fahrt auf und die Vorfreude auf das große Abenteuer ist wieder sehr deutlich spürbar. Anspannung natürlich auch. Ungewissheit? Ein bisschen. Nicht so extrem wie letztes Jahr, als wir zum ersten Mal raus aufs Meer gesegelt sind. Man, was war das für ein irres Gefühl, als die Schleuse in Hellevoetsluis geöffnet wurde und die Nordsee vor dem Bug lag. Dann die Fahrt. 6 Beaufort gepaart mit einer kurzen steilen Welle an den Flachs vor Zeebrügge und wir beide mit unserem kleinen Boot da drin. Eigentlich gar nicht so wild, wenn man etwas länger segelt. Uns hat die Nordsee bei diesem ersten Mal hingegen ziemlich beeindruckt. Zeebrügge war wie das Paradies an diesem Abend. Plötzlich ruhiges Wasser, ein Hafen voller Fahrtensegler, zum ersten Mal im Päckchen liegen, am nächsten Tag Sommer und einfach nur in den Tag hinein leben. Am ersten Tag nach dieser Fahrt haben wir kaum etwas anderes gemacht, als von früh bis abends mit Jürgen zu quatschen. Über die Zukunft, über Boote und Etappen, übers Leben. Er war der erste Fahrtensegler dem wir begegnet sind. Vermutlich haben wir etwas hilflos gewirkt, als wir so in den Hafen gedümpelt sind und alles voll war. „Macht doch hier bei mir fest.“ Hat er rüber gerufen, bevor wir fragen konnten.
In den Jahren zuvor kamen wir uns oft ein bisschen wie Außenseiter vor. Unser Plan ist bei etlichen Menschen auf Unverständnis gestoßen. An der Küste sieht das vielleicht noch etwas anders aus, aber in Rees oder Wesel kommen nicht so viele Leute auf die Idee, um die Welt zu segeln. Der Abstand zum Bordleben ist hier sehr groß. Verständlich.
Die Nordsee ist 200 Kilometer weit weg und in den Häfen am Rhein liegen hauptsächlich Motorboote.
Zeebrügge fühlte sich dagegen für uns an wie das Tor zur großen weiten Segelwelt. Holländer, Belgier, Engländer, Schweden, Deutsche und Dänen waren dort und viele wollten weiter nach Südwesten. Einige mit Windfahnensteuerung und Geräteträger am Heck. Vollgepackt mit Antennen, Windgenerator und Gerödel an und unter Deck. Plötzlich waren wir normal und Eos kein Außenseiterboot mehr. Sie gehörte dazu, sah aus wie die anderen. Ok, etwas kleiner als die anderen.
Jedenfalls fühlte sich das gut an. Die Strapazen des ersten Törns waren schnell vergessen und wir wollten weiter.
Viele schöne und außergewöhnliche Erlebnisse kamen in den darauf folgenden Monaten dazu und wurden zu wunderbaren Erinnerungen. Einzigartig und lohnenswert für uns.
Jetzt stehen wir wieder vor dem Aufbruch, die meisten Dinge sind erledigt, für den Twingo hat sich ein Käufer gefunden. Es sieht so aus, als könnten wir die letzten Tage vor der Abfahrt entspannen, so wie im vergangenen Jahr. Ich hab noch ein paar Kleinigkeiten in der Werkstatt zu erledigen, Sabrina arbeitet noch zwei Wochen im Kindergarten, dann noch ein letzter Einkauf, zwei kleine Bestellungen, ein Paket in den Hafen Bourgenay schicken und Taschen packen.
Ein wenig Traurigkeit ist in diesen Tagen natürlich auch immer wieder mal gegenwärtig. Wir werden vor allem unsere Familie vermissen. Und natürlich Johnny, unseren Hund, der in Zukunft wieder bei meinen Eltern leben wird. Für ihn ändert sich nichts. Er bleibt im gleichen Haus, im gleichen Körbchen und sein Tagesablauf bleibt derselbe. Hat letztes Jahr bereits sehr gut geklappt, zumindest für ihn. Wir werden ihn ziemlich vermissen.
Trotzdem ist die Vorfreude auf die Zukunft mit Eos riesig, wir haben uns das schließlich ausgesucht. Gefühlsachterbahn eben.
„Wohin segelt ihr denn demnächst?“
Die Frage hören wir in letzter Zeit wieder öfter. Auch wir stellen sie uns so manches Mal. Erstmal werden wir wohl nur so zum Segeln aus dem Hafen fahren. Keine Etappe, kein Meilen machen, einfach nur vor der Küste in Bourgenay auf und ab segeln.
„Und danach?“
Die Biskaya liegt vor uns, immer noch. Seit einiger Zeit treiben wir uns da rum und wollen so langsam auch irgendwie wieder da raus, nach Spanien. Ob wir nochmal eine Überquerung wagen oder in Tagesetappen an der Küste entlang nach Süden segeln, wissen wir heute noch nicht. Das wird sich erst recht kurzfristig an Bord entscheiden, abhängig vom Wetter und davon, wie wir uns fühlen.
Spätestens in La Coruna müssten wir dann so langsam aber sicher wieder in der Flotte der Fahrtensegler sein.
Wir freuen uns dieses Jahr schon sehr auf ein paar Begegnungen unterwegs. Da sind zwei, die mit einem ähnlich kleinen Boot wie Eos bald in Bremen starten und ähnlich alt sind wie wir. Bastler wie wir und vor kurzem hat uns bereits jemand mit Nico & Birte bei Facebook verwechselt. ;-)
Vor ein paar Tagen haben wir noch erfahren, dass mit etwas Glück eine Chance besteht, Freunde in Südportugal zu treffen und wenn wir dieses Jahr nicht ganz so langsam sind, besteht auch eine Möglichkeit, meine Schwester, unseren Schwager und unsere Nichte im Sommerurlaub auf Lanzarote an Bord zu begrüßen.
Dann gibt es da noch ein Pärchen, das im letzten Jahr ebenfalls in die Winterpause gegangen ist und vielleicht bald weiter segelt und insgeheim hoffen wir ja doch, dem einen oder anderen, der auf dem Rückweg aus der Karibik ist, nochmal irgendwo zu begegnen.
Wir sind jedenfalls sehr gespannt, was die Zukunft bereit hält…