Lack und Räder

Vorwort

Der folgende Artikel liegt bereits seit einem Vierteljahr mehr oder weniger fertig auf dem Desktop. Die Veröffentlichung wurde verhindert durch ein kleines Stück kalten Stahls. Abgelöst hatte sich dieser etwa drei Millimeter große Splitter von einer kleinen HSS Bohrkrone. Er versteckte sich in einem Häufchen Holzstaub, wurde von mir selbst beim saubermachen aufgewirbelt und fand seinen Weg (Murphys Gesetz folgend) in mein rechtes Auge.
Ich selbst habe ihn beim spülen und reiben in die Hornhaut gedrückt, so tief, dass er sie perforiert hat. Wie beim Unfall mit dem linken Auge vor fast 2 Jahren, war ich wieder allein an Bord.
Mit Hängen und Würgen bin ich noch nach Hause gefahren, erst da habe ich selbst das Ausmaß im Spiegel gesehen.
Dann ab in die Uniklinik nach Düsseldorf, anschließend 3 Tage blind. Danach eine lange, schmerzhafte Phase der Rehabilitation.
Mittlerweile kann ich wieder etwas länger auf Monitore schauen, der Alltag hat mich endlich wieder. Die Narbe verändert sich noch und wirft mich manchmal für ein, zwei Tage aus der Bahn. Sehen kann man sie nicht, aber sie ist da.
Was man sehen kann, ist eine Tätowierung aus Eisenoxid in Form eines kleinen roten Rings im unteren Bereich der Pupille. Sie wird bleiben, für immer.
Wie sich das Auge langfristig entwickelt, lässt sich schwer prognostizieren. Das hat mir eine Weile ziemliche Angst gemacht. So langsam komme ich damit aber klar.

Mein erstes Tattoo.


Ein paar Projekte aus 2020 haben wir hier also noch textuell abzuarbeiten, bevor wir uns ganz dem neuen Jahr und seinen Herausforderungen hingeben.

Heute geht es um ein System an Bord der Morgenstern, welches ich auf den letzten Einhandtörns so manches mal verflucht und nicht weniger oft vergöttert habe und mir sind unterwegs immer mal wieder Crews begegnet, die haben diesem Ding sogar ernsthaft einen Namen gegeben. Ich denke das verdeutlicht, welchen Stellenwert der Autopilot an Bord einer Fahrtenyacht hat.
Beim Einhandsegeln ist diese*r künstliche Rudergänger*inn sogar fast überlebenswichtig. Kein Mensch kann schließlich rund um die Uhr das Schiff steuern und auch bei einer 2er Crew sieht es ohne Autopilot nach einer Weile sehr düster aus.

Einhand unterwegs im Mittelmeer. Der Autopilot steuert das Schiff, Nico steuert die Drohne.

Als wir Morgenstern vor mittlerweile 4 Jahren übernommen haben, da war bereits ein Autopilot an Bord. Zwar uralt und sehr einfach in der Funktion, aber besser als nichts. Er hat mir auf den langen Etappen so manches Mal den Rücken freigehalten. Während dieser künstliche Steuermann das Schiff auf Kurs gehalten hat, konnte ich mich um die Segel kümmern, Brot backen, Pipi machen oder, wie einst Guido Dwersteg auf seinen legendären Fahrten, genüsslich in der Nase bohren.
Eine herrliche Zeit war das, wie der Autopilot und ich gemeinsam durch den Golf von Korinth in West-Ost-Richtung gesegelt sind. Mit einem leisen Brummen hat er hin und wieder das Steuerrad gedreht und die Welt war in Ordnung.
Manchmal allerdings, da sind diesem Elektrofreak die Leiterbahnen durchgegangen. Vor allem in Nord-Süd-Richtung war er kaum zu gebrauchen. Mehr als einmal hat er mich nach stundenlangem Geradeaus mit einem 360° Kreis plötzlich aus der heilen Welt geholt. Gott, was habe ich manchmal geflucht und ihn angebrüllt! Vor allem im Schwarzen Meer haben wir uns oft gestritten. Es war ja auch sonst niemand da, dem man die Schuld am verhunzten Kurs hätte geben können.
Warum Manfred das getan hat, weiß ich bis heute nicht. Vielleicht war es auch nur eine Anomalie im Erdmagnetfeld.
Jedenfalls kann man unsere Beziehung durchaus eine Hassliebe nennen. Ich bin froh, dass es ihn heute nicht mehr gibt, aber ich möchte die Zeit mit ihm auch nicht missen.
Wir hatten Höhen und Tiefen auf den knapp 3.000 Seemeilen von Kilada bis Rees und so Scheiße unsere Beziehung manchmal auch war, am Ende haben wir das Schiff gemeinsam nach Hause gebracht! Verdammt nochmal!

Manchmal vermisse ich Manfred.

Aber es ist eben Aus und vorbei. Dieser Autopilot namens Manfred war einfach in die Jahre gekommen. Der Lack war ab und es hatte keinen Sinn mehr an ihm herumzumachen. Und so haben Sabrina und ich entschieden, dass Manfred gehen muss.
Wir haben uns aber nicht sofort etwas neues angelacht, sondern einige Jahre verstreichen lassen und lange gesucht.
Am Ende lief es darauf hinaus, dass immerhin ein Teil von Manfred seinen Dienst im neuen System weiterhin tun wird, denn den Antriebsmotor, bzw. den Aktor werden wir behalten.

Und jetzt höre ich mal mit dem blöden Gequatsche auf, und werde mal ein wenig ernster!

Auf EOS hatten wir seinerzeit einen ST4000+ Pinnenpiloten verbaut und dadurch die Gelegenheit, dieses System etwas näher kennenzulernen. Um es kurz zu machen, ich halte die Steuereinheit des ST4000+ für einen der wenigen wirklich guten und robusten Autopiloten. Wohl gemerkt: Nur die Steuereinheit und den Fluxgate-Kompass.
Die Aktoren des ST4000 sind nicht viel besser als die Aktoren der meisten anderen modernen Autopilot-Systeme für Yachten. Billigste Motoren, Plastikzahnräder und Kupplungen die häufig nicht einmal die erste Saison auf Langfahrt überleben, aber für die man nicht selten ein Sümmchen auf den Tisch legt, als hätte das System ein Ingenieursbüro als Einzelstück für eine Rekordfahrt entwickelt.

Wenn man nicht selber entwickeln möchte und einen wirklich robusten Autopiloten braucht, dann kann ich nur den Tipp weitergeben, den ich seinerzeit von einem Bekannten bekommen habe, der viele Jahre beruflich zur See gefahren ist und mit seiner eigenen Segelyacht insgesamt 6 mal den Atlantik überquert hat:
„Der Plastikkram aus der Yachtindustrie ist Schrott! Hol dir einen Autopiloten aus der Berufsfischerei und du hast für immer Ruhe!“

Diese Möglichkeit, oder auch ein „Pelagic-Autopilot“ wäre der Weg gewesen, den ich mit hoher Wahrscheinlichkeit eingeschlagen hätte, wäre da nicht der wirklich gute Aktor von „Manfred“ noch an Bord gewesen. Die Idee war, den guten Aktor noch ein wenig besser zu machen, den schmalen Antriebsriemen (der auf 3.000 Seemeilen zwei mal gerissen ist) durch einen wesentlich stärkeren zu ersetzen, die Lagerkräfte zu reduzieren, das Drehmoment zu erhöhen und auf ein Riemenrad zu übertragen, welches perfekt an das Steuerrad von Morgenstern adaptiert ist.
Befeuert werden sollte das System schließlich von einem ST4000+, von denen es allerdings kaum noch welche auf dem Gebrauchtmarkt gibt. Wer so einen im Boot hat, gibt ihn in aller Regel nicht mehr her.

Am Ende hat es einige Monate gedauert bis ich den originalen Fluxgate Kompass bekommen habe und fast ein Jahr, bis ich ein einigermaßen bezahlbares Angebot für den ST4000+ entdeckt habe.
Mit Einfuhrsteuer und Verzollung bei den Jungs und Mädels auf meinem Lieblingsflughafen ist er am Ende zwar kaum günstiger gewesen als ein aktuelles Neugerät, aber darum geht es nicht.
Wir haben einen!
Wobei, stimmt so nicht ganz.
Der ST4000+ war zuvor auf einer Segelyacht im Pazifik im Einsatz, genauer gesagt, an der Küste in Kalifornien. Sherry, die Besitzerin der Yacht, hatte den Autopiloten schließlich zum Verkauf angeboten und so kam er letztendlich zu uns.
Also, wir haben eine Autopilotin und die hat nun den Namen „Sherry“ bekommen. Denn Sherry war unser großes Glück.
Sherry gefällt mir auch irgendwie besser als Manfred. Nicht, dass ich den Namen Manfred unschön finde, ganz im Gegenteil. Ich kenne sogar einen Dackel der Manfred heißt und den mag ich sehr.
Aber Sherry hat was, wie ich finde.
Sabrina ist zwar jetzt manchmal etwas eifersüchtig, wenn ich feststelle, dass Sherry den Kurs besser halten kann als sie, aber da kann ich ja nix dafür.
Jedenfalls bin ich echt verknallt in unsere neue Autopilotin. Und damit sie das Boot auch wirklich gut steuern kann, habe ich für sie den schönsten Ring geschmiedet, den man sich vorstellen kann.

Denn ohne Antriebsring kann die beste Pilotin nichts bewirken. Irgendwie muss die Kraft des Aktors schließlich aufs Steuerrad übertragen werden.
Bisher passierte das über einen schlecht montierten Aluring von der Stange. So ein Universal-Gussteil welches für Eineneurofuffzich vom Band geflogen ist, das zwar einigermaßen funktioniert hat, aber mehr auch nicht.

An dem neuen Rad habe ich wirklich lange mit dem Hirn dran gewerkelt. Ich hatte eine ganze Weile absolut keine Idee, wie man ein so großes Rad zufriedenstellend anfertigen kann. Am Ende war ich kurz davor, es aus Carbon zu laminieren. Mit dieser Herstellungstechnik kann ich gut umgehen und das Ergebnis wäre wahrscheinlich auch gut geworden. Nur der Aufwand wäre immens gewesen, wenn ich den Ring in Negativbauweise hätte herstellen wollen.
Also bin ich irgendwann auf eine Idee gekommen, die ein Verfahren mit einbezog, welches ich bis dato noch nie verwendet hatte: Die heißeste Blechbearbeitung der Welt, das Laserschneiden!
Denn für meine CNC Fräse wäre das Projekt zum einen etwas zu groß gewesen und zum anderen hätte ich die feinen Details auch nicht so einfach umsetzen können.

Also fing ich irgendwann im November 2020 an zu zeichnen und hatte schließlich eine Idee, wie man ein 332mm großes Riemenrad aus Edelstahl anfertigen könnte.
Ein wenig Bauchweh hatte ich schon, als ich die CAD Files letztendlich an ein Unternehmen in Niedersachsen gesendet habe. Wird das wirklich funktionieren? Passen alle Teile zusammen, habe ich wirklich richtig gerechnet und mich auch nicht verzeichnet?
Fragen über Fragen und nach etwa 2 Wochen Wartezeit hatte ich zumindest bei einer Thematik Klarheit: Sieht richtig gut aus, das Material!

Aber passt es auch und lässt es sich so biegen und verschweißen wie ich es erdacht hatte?

Nach 2 Tagen war alles klar. Absolut rund, absolut plan, absolut schön.

Wenn ich das Sherry zeige…

Bevor das neue Riemenrad aber ans Steuerrad montiert werden konnte, wollte ich dieses zuerst einmal einem Refit unterziehen. Da ich es sowieso auf der Werkbank hatte, bot sich das einfach an. Der hintere Messingring und das alte Alurad kamen ein für alle mal weg. Das Holz wurde geschliffen und die Messingteile aufwändig poliert. Das war Sabrinas Projekt und ich finde man sieht auf den Bildern weiter unten, dass sie da wirklich Herzblut reingesteckt hat.
Die Lackierung war meine Aufgabe und die originalen Messingschrauben haben wir gemeinsam überarbeitet. Um die Schrauben auch im inneren des Kreuzschlitzkopfes polieren zu können, habe ich eine provisorische Minisandstrahlkammer gebastelt und jede Schraube mit feinem Granulat gestrahlt. Sabrina hat dann wieder poliert, anschließend wurde nochmal mit Wasserstrahl ganz fein gestrahlt.
Der Wellenflansch aus Aluminium hat ebenfalls viel Zeit in Anspruch genommen. Man hätte ihn zwar so lassen können und einfach nochmal mit einem Quast Schwarze Farbe drüberpinseln können, wie es einst der Hersteller gemacht hat, um die ganzen Gussspuren zu übertünchen, aber mal ganz ehrlich, das ist doch Scheiße!
Das sind so Punkte, da reg ich mich manchmal echt auf. So ein Schiff hat seinerzeit soviel gekostet wie ein Einfamilienhaus und dann wird der zentrale Flansch des Steuerrades, auf den man ständig glotzt, so wie er aus der groben Gussform geflogen ist ein bissel bepinselt und ins Cockpit geklatscht. Ne, ne, ne…

Also ab mit dem Flansch auf die Drehmaschine, anschließend von Hand nachgearbeitet, gebeizt, gespült und schließlich eloxiert. Das Eloxieren war das aufwändigste an der ganzen Aktion. Garnicht mal der Vorgang selbst, aber ich habe schon einen halben Tag vertrödelt, bis ich in der Werkstatt alle Chemikalien, die Eloxalfarben und die Anleitung beisammen hatte und mit den Vorversuchen durch war. Ich hatte einfach einige Jahre kein Aluminium mehr eloxiert. Umso zufriedener bin ich mit dem Ergebnis. Zwar war das eigentliche Farbziel ein ganz tiefes Ultramarinblau, aber mit einem Hauch ins Lila gefällt es Sabrina sogar noch besser.

Steuern lässt sich das Schiff mit dem neuen (alten) Rad auch besser. Der Antriebsring gibt dem Rad deutlich mehr Stabilität als der dünne Messingring. Es ist nicht mehr so labberig wie vorher und gut anfühlen tut es sich auch.
Irgendwann im Sommer werde ich dann auch Sherry und den Aktor endgültig ins Schiff einbauen. Aktuell fehlt nur noch der Ruderlagengeber. Mit dem wird Sherry dann noch ein klein wenig genauer Kurs halten können.

Fertig montiertes Steuerrad!

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