Auf nach Spanien! Oder doch nicht?

Bourgenay-Royan-1Wir stehen früh auf, machen Eos startklar und schauen uns den Start der Transgascogne 6.50 an. Zwischen 52 Rennbooten und allem was da noch so an Sicherungs- und Begleitbooten unterwegs ist, wollen wir nicht dazwischen funken.
Es dauert eine ganze Weile, bis alle vor dem Hafen versammelt sind und in Richtung Spanien aufbrechen. Mittlerweile ist es zu spät für uns. Eos hat zwar nur einen Meter Tiefgang, aber kurz vor Niedrigwasser ist das bei Dünung in der Einfahrt zu riskant. Also legen wir uns noch 3 Stunden schlafen, bevor es los geht.
12:10 Uhr werfe ich die letzte Leine los und Sabrina fährt Eos aus der Box in Richtung Hafenausfahrt. Wir blicken mit gemischten Gefühlen zurück nach Bourgenay, aber nicht lange, dann geht der Blick nach vorn, auf das was vor dem Bug liegt. Segel werden gesetzt.
Kurze Zeit später kommt uns der erste Segler mit einem Mini 6.50 wieder entgegen. Ein trauriger Anblick, wie er da im Cockpit saß und zurück nach Bourgenay gesegelt ist. Warum der Abbruch, wissen wir nicht. Das Boot sah zumindest äußerlich intakt aus.
Eos ist indes weiter mit Kurs Laredo nach Süden gesegelt, höher am Wind als uns lieb gewesen wäre, aber gut machbar und dank 4 Beaufort auch entsprechend schnell.
Sah nach einem sehr guten Start in Richtung Spanien aus und während Bourgenay am Horizont hinter uns langsam verschwunden ist, haben wir Wind und Meer sehr genossen. Nach so langer Zeit endlich wieder richtig in Fahrt und mit einem langersehnten Ziel vor Augen.
Dann plötzlich die ersten Delphine. Eine kleine Gruppe aus drei oder 4 Tieren war es. Sie kamen schnell näher und sind dann neben Eos ein kleines Stück in die gleiche Richtung geschwommen, bevor sie hinter den langsam höher werdenden Wellen verschwunden sind.

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Danach hat es nicht mehr lange gedauert bis der erste von uns beiden Seekrank geworden ist. Mir war kotzübel und Sabrina hat es kurz danach auch erwischt. Also schnell eine Tablette gegen Seekrankheit eingeworfen. Machen wir nur sehr ungern, aber es ist das einzige, was uns beiden hilft. Danach ging es langsam etwas besser. Seegang und Windstärken lassen sich damit aber nun mal nicht wegzaubern und wurden langsam aber stetig immer stärker. Aus den 4 wurden 5 Beaufort und so langsam kamen Zweifel an der Richtigkeit der Wettervorhersage auf. Der ein oder andere wird sich vielleicht an die prägenden Erfahrungen in der Biskaya aus dem letzten Jahr erinnern, die im vorbeiziehenden Tornado auf der Fahrt nach Etel ihren Höhepunkt gefunden hatten.
Sollte heute etwa wieder so ein „Schluckauftag“ werden? „Die Biskaya hat mal wieder Schluckauf“, das hatten uns letztes Jahr Segler erzählt, die mit ihr groß geworden sind. So nannten sie die Phasen, in denen kein Wetterbericht stimmte und so ziemlich alles passieren konnte.
Insgeheim hatten wir bei dem jetzigen Törn allerdings damit gerechnet, dass vielleicht sogar zu wenig Wind da sein würde und die Strecke mit Motorkraft zurückgelegt werden müsste. Die Isobaren waren jedenfalls so weit auseinandergezogen wie schon lange nicht mehr und für die nächsten 2 Tage auch keine Front prognostiziert. Eigentlich war da nichts.
Trotzdem hatten wir den Wind und er wurde entgegen des Wetterberichts stetig mehr. Was also machen? Weiter hoch am Wind in die Nacht hinein in Richtung Kontinentalhang laufen, oder auf den Bauch hören, der gesagt hat, „heute hat sie wieder Schluckauf“.
Wir haben rumgerechnet und schließlich einen neuen Kurs gesteckt. Einzige sinnvolle Möglichkeit einen sicheren Hafen zu erreichen war Royan. Die Ankunftszeit hatten wir auf etwa 2 Uhr Nachts geschätzt. Es war also noch ein weiter weg, als wir beigedreht und zum ersten mal mit ausgebaumter Genua platt vor dem Wind in Richtung Südosten geschaukelt sind. Schlagartig war die Segelei wieder etwas angenehmer aber uns war klar, dass es nicht lange so bleiben würde. Mit jeder Meile nach Süden wurden die Wellen höher und der Wind stärker. Dazu kam die Dünung des letzten Tiefdruckgebietes und der Seegang wurde konfuser. Einige unangenehme Kreuzseen waren dabei und der Genuabaum musste wieder abgebaut werden.


Der Wind legte stetig weiter zu und hatte sich irgendwann auf beständige 6 Windstärken eingeweht. Was uns Binnen immer viel Spaß gemacht hat, ist unter den Bedingungen in der Biskaya auf einem kleinen Boot dann leider nicht mehr so lustig. Aber wir hatten es im Griff, trotz Seekrankheit und wirren Wellenbergen. Bis zu dem Moment, der alles zum kippen gebracht hat.
Eine einzelne Welle von schräg achtern ist anders als alle anderen davor. Viel höher, steiler und aus anderer Richtung. Eos läuft aus dem Ruder und wird auf die Seite gelegt. Im nächsten Moment kommt der Großbaum geflogen, eine Patenthalse! Es knallt ordentlich, eine Segellatte kommt von oben geflogen und verschwindet im Meer! Der Schock sitzt tief, trotzdem bringen wir Eos wieder schnell auf Kurs, halsen vernünftig zurück, kontrollieren alles.

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Wir segeln weiter, können Eos aber oft nur noch schwer auf Kurs halten. Sie wird ein weiteres Mal von so einer Ausreißerwelle getroffen. Wieder legt sie sich auf die Seite, richtet sich auf und segelt weiter. Irgendwie geht es, Sabrina und ich funktionieren, wir motivieren uns gegenseitig und versuchen uns so gut wie möglich auf die Arbeit zu konzentrieren. Die Küste kommt quälend langsam näher und in der Dämmerung sehen wir endlich die ersten Lichter von Royan.
Als wir die Einfahrt erreichen wird es richtig schwierig. Wir müssen jetzt wieder auf Halbwindkurs segeln, bei inzwischen 7 Beaufort. Eos wird immer wieder heftig durchgeschüttelt, aber es geht und mit jeder Meile weiter die Mündung der Gironde hinauf nimmt der Seegang ab. Zwischen uns und der Windsee liegt jetzt die Flachstelle „Banc de la Coubre“

Bourgenay-Royan-7Die Ansteuerung von Royan ist bei diesen Bedingungen unheimlich schwierig. Gischt liegt zeitweise in der Luft. Die befeuerten Seezeichen verlieren sich immer wieder in den Lichtern der Stadt. Ich bekomme bei dem starken Wind langsam Probleme mit den Augen, aber Sabrina verfolgt den Kurs auf dem Plotter und dirigiert mich an der Pinne immer weiter dem Ziel entgegen.
Als der Seegang dann nach einigen Meilen den Fluß hinauf kaum noch zu spüren ist, fühlen wir uns erleichtert. Fender werden ausgebracht und Leinen vorbereitet. Dann aus dem Fahrwasser abbiegen und sich an den letzten Flachstellen langsam vorbei in den ersehnten Hafen tasten. Vor uns ein freier Gästesteg.
Bourgenay-Royan-8Wir können uns die Seite aussuchen, drehen in den Wind, gehen mit der Schokoladenseite längsseits. Ansteuerung im 30° Winkel, Aufstoppen und mit dem Radeffekt das Heck ran ziehen. Genau mittig zwischen den Klampen, perfekt!
Ich wunder mich jetzt noch darüber, wieso das so bilderbuchmäßig geklappt hat. Als die Leinen fest sind und ich auf dem ruhigen Ponton stehe, merke ich wie mir die Knie zittern.
Leinen fest nach 70,74 Seemeilen und 13 Stunden, 20 Minuten.

Die wichtigste Erkenntnis dieser Fahrt. Wir funktionieren als Team auch unter schwierigen Bedingungen. Sabrina weint erst, als Eos am Steg liegt, das Segel verpackt und Springleinen gesetzt sind.
Danach holen wir das Essen und Trinken nach, fallen in die Koje.
Am nächsten Tag dann Muskelkater, blaue Flecken und ein Schädel wie nach zu viel Alkohol auf einer zu langen Party. Eos muss aufgeräumt werden.

Wie wir über das Erlebte denken und wie es weiter geht berichten wir dann die Tage. Momentan sortieren wir selber noch unsere Gedanken.

DCIM100MEDIA

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