Es ist ein Bertschi

Am 13. Februar gegen Mittag war ich auf dem Weg von Wesel nach Hannover. Drei Tage zuvor hatte Sabrina überraschend ein vielversprechendes Inserat bei Ebay Kleinanzeigen gefunden. Ein zweiflammiger Petroleumherd von Bertschi mit Backofen wurde dort zu einem sehr guten Preis angeboten. Noch dazu sollte er praktisch neuwertig sein.
Lange überlegen brauchten wir da nicht und so waren wir voller Zuversicht, endlich die richtige Kochgelegenheit gefunden zu haben.
Die Fahrt nach Hannover verging wie im Flug. Unterwegs habe ich mir schon ausgemalt, wie die neue Pantry auf Morgenstern einmal aussehen könnte, wenn alles eines Tages fertig ist. Und ich habe natürlich gehofft, dass der Herd aus dem Inserat auch wirklich so wie beschrieben ist.
Bei dem privaten Verkäufer angekommen, dann zunächst eine kleine Überraschung. Während wir so plauderten, stellt sich heraus, dass seine jetzige Segelyacht ihren Liegeplatz in Preveza (Griechenland) hat. Nur ca. 40 Seemeilen von Kefalonia entfernt. Dort ist er seit ein paar Jahren im Sommer immer unterwegs. Als ich mit Morgenstern im Ionischen Meer war, sind wir praktisch direkt aneinander vorbei gesegelt, ohne es zu wissen.
Den Petroleumherd hat er vor einer sehr langen Zeit neu gekauft und wollte ihn in sein damaliges Schiff einbauen. Ein Refitprojekt, das er allerdings kurze Zeit später aufgeben musste. Und so kam es, dass dieser Herd eine Weile in der Garage stand. Als irgendwann die neue Segelyacht in Griechenland gekauft wurde, stellte sich schnell heraus, dass der Bertschi nicht an den vorgesehenen Platz in der neuen Pantry passen würde und ein Umbau zu aufwändig wäre. Also stand er weiterhin gut eingepackt in Hannover und hat dort einen 12-jährigen Dornröschenschlaf verbracht. Er wurde nie in ein Boot eingebaut und nur kurz nach dem Kauf ein paar Mal getestet. Ein Brot wurde darin gebacken und mit den beiden Flammen kurz gekocht.
Es war alles dabei was man braucht. Ein paar Ersatzteile, Leitungen und ein sehr gut verarbeiteter Drucktank, der in einer Schlosserei hergestellt wurde. Zusätzlich zum Backblech wurde dort auch ein Grillrost aus Edelstahl auf Eignerwunsch angefertigt. Sogar die originalen Prospekte und Anleitungen von damals habe ich dazubekommen. Alles in einem Zustand der erkennen ließ, dass hier jemand lange darauf gehofft hat, dass der Bertschi doch noch eines Tages in sein Schiff einziehen wird.
Die Übergabe war schnell erledigt und ich habe mich anschließend riesig gefreut. Plötzlich stand er im Kofferraum, der Herd mit dem wir niemals gerechnet hatten. Ein Bertschi in der DeLuxe Ausführung! Bei dieser Version sind alle drei Brenner einzeln über zusätzliche Sicherheitsventile abstellbar, was einen enormen Sicherheitsgewinn darstellt und bei einem defekten Brenner dafür sorgt, dass nach dem abstellen mit den verbliebenen Brennern weiter gekocht werden kann.

Am nächsten Tag bin ich in jede Ecke des Ofens gekrochen und habe als erstes die Brenner ausgebaut und alles genau unter die Lupe genommen. Auch um zu testen, ob meine Brenner aus England im Bedarfsfall ohne Anpassungen eingebaut werden können. Ja, sie können! Und während ich so geschraubt, geschaut und ein bisschen poliert habe, bin ich wirklich ins Schwärmen gekommen. Meistens ist es eher so, dass ich beim basteln an einem Gerät darüber fluche, wie die verschiedenen Ingenieursgruppen während der Entwicklung des Produkts aneinander vorbei entwickelt haben und am Ende alles irgendwie, allerdings nicht sinnvoll zusammenpasst und erst recht nicht so, dass es lange hält. Oft bessere ich dann nach und tausche Bauteile aus, wo es möglich ist.
Vor ein paar Wochen war ich sogar kurz davor, selbst mit der Konstruktion eines Herds anzufangen, weil mir bisher nichts unter die Augen gekommen war, was mich zu 100% überzeugen konnte. Da ich vor ein paar Jahren mal eine Heizung nach dem gleichen Grundprinzip gebaut hatte, wäre das mit vertretbarem Aufwand machbar gewesen. Aber das hätte sehr lange gedauert und bei so einem aufwändigen Projekt wäre die erste Version mit Sicherheit nicht ohne Kinderkrankheiten gewesen.


Der Bertschi ist daher großes Glück für uns. Hier muss man nichts austauschen und nichts optimieren. Die verbauten Materialien sind erstklassig. Das fängt schon bei der Blechstärke an. Viel dicker als jeder andere Kocher, den ich bisher gesehen habe! Der Backraum doppelwandig, die Tür ebenfalls, die Frontscheibe gefühlt aus Panzerglas. Die Schweißnähte wurden so gesetzt, dass man sie nirgends sieht, Schrauben sieht man ebenfalls keine von außen. Anstatt einfach ein Loch durchs Blech zu bohren und eine Schraube durchzujagen, hat Heiny Bertschi von der Gegenseite aufwändig Gewindebolzen angeschweißt, um verschiedene Teile zusammenzufügen. Dadurch gibt es keine Stellen, an denen sich beim Kochbetrieb eine übergekochte Suppe ins Innere mogeln kann. Der Herd sieht dadurch sehr sauber und aufgeräumt aus und er lässt sich durch diese Konstruktion auch leicht reinigen.
Was ebenfalls beeindruckt, ist die Passung der einzelnen Teile und wie sie zueinander angeordnet sind. Auch die Zugänglichkeit der Brenner ist großzügig. Hier muss man sich beim Austausch nicht verrenken. Alle, wirklich alle Kanten sind entgratet, was heutzutage (leider) keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Der Bertschi ist selbst dort entgratet, wo nur seltenst ein normaler Mensch mit seinen Fingern hinkommt. Das sind jedoch Details, die ein hochwertiges Produkt ausmachen. Ein absolutes Gegenstück zum Kosumwahn, bei dem alles billig, ständig neu und irgendwie abgedreht aussehen muss und wo man als Endverbraucher am Ende froh sein kann, wenn das Gerät nicht kurz nach Ablauf der Garantie die Hufe hoch macht.

Beim Bertschi stellt man schnell fest, dass hier jemand Herzblut in sein Produkt gesteckt und es (vermutlich) über Jahre optimiert hat.
Dieser Herd hat keine Schwachstellen mehr und ist so gebaut, dass er mich locker überleben wird. So etwas gibt es heute kaum noch. Er kostet neu zwar eine gute Stange Geld und auch gebraucht reißt er noch ein kleines Loch in die Bordkasse, aber wenn man bedenkt, dass so ein Bertschi praktisch unkaputtbar ist, ist er am Ende womöglich sogar ziemlich günstig.

Wir freuen uns jedenfalls immer noch riesig, dass wir diesen Petroleumherd aus der Schweiz bekommen haben. Aus meiner Sicht ist er die Schweizer Uhr unter den Bootskochern.

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